Wohneigentum bei einer Trennung
Es ist der Traum vieler Paare, gemeinsam ein Haus oder eine Wohnung zu besitzen. Nur selten einigen sie sich aber im Voraus, was mit dem Eigenheim im Fall einer Trennung passieren soll.
Text — Jürg Zulliger
Viele Finanzierungsberater, Notare und Juristinnen bestätigen diese Tatsache: Wer als Paar – mit oder ohne Trauschein – Wohneigentum besitzt, trifft nur ganz selten Vorkehrungen für den Fall einer späteren Trennung. Das ist ein Fehler. Aber schliesslich überwiegen die Vorfreude auf das Eigenheim und die gemeinsame Zukunft. Doch über 40 Prozent der Eheleute gehen später wieder getrennte Wege. Bei Paaren ohne Trauschein liegt die Trennungsrate noch höher.
EHEPAARE: TRENNUNG NACH DEM GESETZ
Bleiben wir zunächst bei den Eheleuten, die nach dem Gesetz eine Ehe geschlossen haben: Formell einfacher ist der Weg einer Trennung, wenn sich das Paar grundsätzlich einig ist, die Beziehung zu beenden. Nach dem Gesetz ist eine Scheidung auf «gemeinsames Begehren» grundsätzlich jederzeit möglich (Art. 111 und Art. 112 ZGB). Ein Gericht wird die Scheidung formell bestätigen, wenn dies erklärtermassen dem Willen des Paars entspricht. Die Voraussetzungen dafür sind, dass die Partner dies bei der gerichtlichen Anhörung bekräftigen und sich auf eine Scheidungskonvention einigen. Sträubt sich ein Partner gegen die Scheidung, muss der andere Partner eine Scheidungsklage einreichen. Und dies ist meist erst dann möglich, wenn man mindestens zwei Jahre (räumlich) getrennt gelebt hat. Wenn keine einvernehmliche Trennung möglich ist, macht dies allerdings vieles komplizierter. Der Beizug von Anwälten und die Klage vor Gericht kosten viel Geld, und das Verfahren ist psychisch belastend. Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass eine Scheidung auch bei «Unzumutbarkeit» möglich ist. Dies ist aber nur ein Ausweg in sehr schwer wiegenden Notfällen.
Bei einer Scheidung sind viele Dinge zu regeln. Wenn sich die Partner grundsätzlich einig sind, treffen sie eine verbindliche Vereinbarung, und zwar mit einer so genannten Scheidungskonvention. Dieses Dokument regelt alle wesentlichen Punkte der Scheidung:
- Zuteilung von Hausrat und Vermögenswerten
- Sorgerecht für Kinder
- Übertragung von Wohneigentum an einen Partner oder späterer Verkauf etc.
WOHNEIGENTUM: WAS IST ZU KLÄREN?
Wenn das Paar gemeinsam Wohneigentum besitzt, sind zunächst die Phasen vor und nach der formellen Scheidung auseinanderzuhalten. In der Praxis leben viele Paare zunächst getrennt, bevor sie die Scheidung einreichen. Während dieser Phase ist vor allem zu regeln, wer welchen Teil des Hausrates benützen darf oder möglicherweise dringend darauf angewiesen ist.
Die weiteren Schritte und quasi die «Anteile» am gemeinsamem Wohneigentum sind komplex. Im Einzelfall hängt dies davon ab, welche Eigentumsform das Paar gewählt hat (Miteigentum, Alleineigentum, Gesamteigentum). Wie genau mit der Immobilie verfahren wird, hängt dann auch davon ab, welchen Güterstand die Eheleute gewählt haben (Errungenschaftsbeteiligung, Gütergemeinschaft oder Gütertrennung).
DIE EXPERTIN
Gabriella Grossenbacher
Stv. Leiterin der Geschäftsstelle Zollikon von Walde Immobilien*
«Ich hätte Psychologie studieren müssen»
Eine Scheidung wirft schwierige emotionale, rechtliche und finanzielle Fragen auf. Neben der Aufteilung des Vermögens oder dem Sorgerecht für die Kinder ist oft auch zu entscheiden, was mit gemeinsamem Wohneigentum passiert. Gabriella Grossenbacher von Walde Immobilien sagt im Interview, wie sie Paare in Trennung konkret unterstützt.
Zu welchem Zeitpunkt werden Sie involviert, wenn es um eine Scheidung geht?
Meist sind gewisse Vorentscheidungen schon gefallen. Es ist klar, dass eine Scheidung bevorsteht und das Haus verkauft werden soll oder verkauft werden muss.
Wie gehen Sie mit den emotionalen Aspekten einer Scheidung um?
Wie oft bin ich schon nach einem Termin zurück ins Büro gekommen und habe gesagt, ich hätte Psychologie studieren sollen. Die ganze Vorgeschichte und die Hintergründe können wir nicht kennen. Oft treffen wir bei einem ersten Termin weinend die Ehefrau an, die mit den Kindern dort wohnt. Da gilt ganz einfach die Regel: Man muss gut zuhören können. Was die Immobilie betrifft, sind wir beratend und unterstützend tätig. Oft können wir zum Beispiel die Ehefrau darin unterstützen, eine neue Wohnung zu finden.
Werden Sie auch um eine Einschätzung des Wertes gebeten?
Das kommt sehr häufig vor. Denn die Liegenschaft stellt oft den wesentlichen Teil des Vermögens dar. So ist es ein entscheidender Punkt, welcher Verkaufserlös realistisch wäre. Falls es eine Option ist, dass der eine Partner das Haus übernimmt und den anderen auszahlt, ist eine faire Bewertung absolut entscheidend.
Was sind bei diesem Ablauf die ersten Schritte?
Wir haben es ja mit Leute zu tun, die in einer Scheidung sind und offenbar nicht miteinander zu Rand kommen. Da braucht es oft schon einiges Einfühlungsvermögen für einen ersten gemeinsamen Termin. Wichtig ist: Als Makler können wir nur tätig werden, wenn beide Partner das entsprechende Mandat unterzeichnen.
Können Sie die Leute auch in anscheinend ausweglosen, konfliktbeladenen Situationen «abholen»?
Ja. Wir verfügen über sehr viel Erfahrung und Expertise. Natürlich wissen wir, dass teils auf beiden Seiten Anwälte im Spiel sind. Oft geht es auch darum, die verschiedenen Varianten zu vergleichen und sich im Hinblick auf die Immobilie beraten zu lassen. In dieser Phase liegt oft noch kein definitiver Entscheid durch ein Gericht bzw. ein Scheidungsurteil vor.
Ist die Vermietung der Liegenschaft für Paare eine Option?
Das sehen wir selten. Vielleicht liegt das aber daran, dass Paare zu uns kommen, sobald gewisse Entscheide schon gefällt sind – etwa ein Vorentscheid, sich von der gemeinsamen Liegenschaft zu trennen.
Würden Sie eine Vermietung als sinnvoll erachten?
Es kommt wirklich darauf an, was für Probleme sonst noch zu lösen sind. Eine Liegenschaft verbindet ja, stellt aber im Rahmen einer Scheidung eher ein zusätzliches Konfliktpotenzial dar. Das Paar muss sich über Aufteilung von Kosten und Einnahmen einigen. Eine Vermietung macht nach meiner Auffassung erst dann Sinn, wenn wesentliche Frage geklärt sind – wenn zum Beispiel entschieden ist, dass ein Partner die Immobilie im Alleineigentum übernimmt.
* Gabriella Grossenbacher ist Stv. Leiterin der Geschäftsstelle Zollikon von Walde Immobilien. Sie sammelte über viele Jahre praktische Erfahrungen als Maklerin und Immobilienberaterin, u.a. auch bei Scheidungsfällen und Erbschaften.
AUF DIE QUOTE ACHTEN
Wenn ein Paar – mit oder ohne Trauschein – gemeinsam ein Eigenheim besitzt, wird zum Zeitpunkt des Kaufs standardmässig meist die Variante Miteigentum gewählt. Wenn nichts anders kommuniziert oder vorgeschlagen ist, werden die Miteigentumsanteile im Verhältnis von 50:50 eingetragen. Falls der eine Partner mehr Eigenkapital beigesteuert hat, ist natürlich auch eine andere Quote sinnvoll, ja sogar empfehlenswert (zum Beispiel 60:40). Im Fall einer Trennung kommt nun dieser Quote eine entscheidende Bedeutung zu: Wenn das gemeinsame Wohneigentum verkauft werden muss, wird der Erlös nach dieser Quote verteilt. Ist die übliche Quote von 50:50 im Grundbuch eingetragen, erhält also jeder Partner die Hälfte des Verkaufserlöses. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, wie die tatsächlichen finanziellen Beiträge beim Kauf und bei den laufenden Kosten für Gebäudeunterhalt etc. zustande gekommen sind. Es sei denn, das Paar hätte sich in einem Ehe- oder Konkubinatsvertrag auf andere Spielregeln geeinigt.
Vor allem bei Paaren ohne Trauschein birgt der gemeinsame Besitz von Wohneigentum Konfliktpotenzial. Denn während bei einer Trennung einer gesetzlich geregelten Ehe viele Punkte und die formellen Schritte vorgegeben sind, können sich Paare ohne Trauschein nicht darauf berufen. Im Kern sind dann auch hier die im Grundbuch eingetragenen Quoten massgeblich. Besser abgesichert und klarer sind die Verhältnisse, wenn ein Konkubinatspaar beim Kauf der Immobilie wesentliche Fragen besprochen und schriftlich festgehalten hat. Das Thema Liegenschaft gehört in jedem Fall in einen Konkubinatsvertrag. Denn Konflikte bei der Trennung lassen sich eher lösen, wenn für diesen Fall gewisse Abmachungen getroffen worden sind. Wichtige Themen in einem Konkubinatsvertrag sind die gegenseitige finanzielle Absicherung, die finanziellen Verhältnisse, die Regelung von gemeinsamem Besitz und Bestimmungen für den Fall einer Trennung.
CHECKLISTE
FOLGENDE PUNKTE GIBT ES ZU REGELN
- QUOTEN: Die Eigentumsform und die im Grundbuch eingetragenen Quoten bei Miteigentum sollten mit den tatsächlichen Verhältnissen überstimmen, zum Beispiel 80:20, wenn ein Partner mehr Geld beim Kauf einbringt.
- VERTRAG: Die Kosten, Haushaltführung, Zinsen, Gebäudeunterhalt etc. sind genauer zu regeln. Ein Ehe- oder Konkubinatsvertrag sollte auch ein Kapitel zur Frage haben, was mit dem gemeinsamen Besitz bei einer allfälligen Trennung passiert. Wie würde der Verkaufserlös bei einem Verkauf verteilt? Wer trägt Verluste?
- FINANZIELLE ABSICHERUNG: Gemeinsamer Besitz heisst gemeinsame Verantwortung. Treffen Sie Vorkehrungen für den Fall eines Schicksalsschlags (Invalidität, Krankheit, Todesfall).
- DOKUMENTE: Führen Sie Buch über die laufenden Kosten, Investitionen und Renovationen. Wer steuert wie viel bei?
- BERATUNG: Die Eigentumsformen, vertragliche Vereinbarungen, Güterstand des Paars etc. sind komplex. Lassen Sie sich beraten, und planen Sie genügend Zeit ein.
VIELEN PROBLEMEN LIESSE SICH VORBEUGEN
Fassen wir die wichtigsten Punkte zusammen: Die Trennung und die Regelung von gemeinsamem Besitz lassen sich dann vereinfachen, wenn sich das Paar im Voraus auf gewisse Abmachungen einigt und die individuellen Umständen einfliessen. Wichtig ist zum Beispiel, dass die im Grundbuch eingetragenen Quoten den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Beim Verkauf einer Immobilie wird vor allem darauf abgestellt, wie das Miteigentum geregelt ist. Von Vorteil ist es in jedem Fall, wenn das Paar zusätzlich wesentliche Punkte festgehalten hat (Ehe- oder Konkubinatsvertrag). Der Streit ums Geld und ums Eigenheim lässt sich auch dann eher gütlich beilegen, wenn die finanziellen Verhältnisse und die Kostenbeiträge genauer dokumentiert und belegt sind. Besonders schwierig wird es dann, wenn das Paar über viele Jahre zusammengelebt hat und nichts dokumentiert ist. Denn im Nachhinein lässt sich nicht immer «beweisen», wer welche Mittel beigesteuert hat und ob beide Partner gleich hohe Beiträge für Unterhalt, Bankzinsen, Renovationen etc. geleistet haben.
VERKAUFEN ODER BEHALTEN?
Schliesslich muss irgendwann der Grundsatzentscheid gefällt werden, ob das Haus verkauft oder an einen Partner im Alleineigentum übertragen werden soll. Wenn ein Partner das Haus allein übernimmt, steht meist die Frage der Bewertung im Vordergrund – ist der Wert seit dem Kauf gestiegen? Wird auch der ausziehende Partner angemessen am «Gewinn» beteiligt? Denkbar wäre natürlich auch die Fortführung des gemeinsamen Besitzes, wobei das in der Praxis eher selten vorkommt (etwa bei Paaren mit gemeinsamen, minderjährigen Kindern). Dann muss sich das Paar aber darauf verständigen, wie die Finanzierung und die Kosten zu regeln sind. Häufig entscheiden sich Paare, das Wohneigentum zu verkaufen (siehe Expertin). Das hat durchaus Vorzüge: Das schwierige und belastende Kapitel kann damit abgeschlossen werden, und meist ist dann auch die Verteilung des Geldes klar. Fazit: Bei einer Trennung stehen schwierige Entscheidungen an. Die Lösung der Konflikte kann wesentlich erleichtert werden, wenn gewisse Dinge und die finanzielle Beteiligung am Eigenheim im Voraus geregelt und dokumentiert sind.