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Milde Winter

Beim Thema Klimawandel dreht sich meist alles um heisse, trockene Sommer. Doch was ist im Winter zu erwarten? Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer werden sich auch in dieser Zeit neuen Herausforderungen stellen müssen.

Text — Raphael Hegglin

 

Januar 2021: Das Schweizer Mittelland versinkt in Schneemassen. Strassen sind nicht mehr befahrbar, Züge, Trams und Busse fallen aus – plötzlich steht alles still. Und seltenes spielt sich in den Städten ab: Wer nicht zuhause bleibt, fährt auf Langlaufskiern zur Arbeit oder geht in Schneeschuhen auf Einkaufsbummel.

Gleichzeitig stellen sich viele die Frage: Ist da eventuell nichts dran, am Klimawandel? Werden die Winter gar nicht wärmer? Doch, sagen Forscherinnen und Forscher. Ereignisse wie der extreme Schneefall im vergangenen Januar würden ihre These sogar stützen.

 

TEMPERATUREN STEIGEN

Gesichert ist, dass die durchschnittlichen Temperaturen im Alpenraum seit der Industrialisierung um 2 ° C gestiegen sind, global haben sie um rund 1 ° C zugenommen. Und: Bis zum Jahr 2100 wird – abhängig von den Treibhausgasemissionen – von einem mittleren globalen Temperaturanstieg zwischen 1,6 und 4,7 Grad Celsius gegenüber dem Zeitraum vor 1890 ausgegangen.Wie wirkt sich das in der Schweiz aus? Dass im Sommer Hitzeperioden und extreme Wetterereignisse zunehmen werden, ist nichts Neues. Doch was geschieht im Winter? Müssen Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer künftig kaum noch heizen?

 

RASANTE TEMPERATURWECHSEL

Klimaforscherinnen und -forscher gehen davon aus, dass auch die Winter hierzulande herausfordernd werden. Verblüffend an den Resultaten der Modellrechnungen ist, dass der Klimawandel zwar grundsätzlich milde Winter bewirkt, gleichzeitig aber auch – zeitlich begrenzte – hohe Schneemengen und Kälteperioden begünstigt.

Das Wetter soll laut Modellrechnungen also auch im Winter extremer werden: Grundsätzlich mild, wobei plötzliche Kälteeinbrüche, Schneefälle und auch Winterstürme bis hin zu Orkanen überraschen können – und hohe Schäden verursachen (siehe «So schütze ich im Winter mein Haus» und «So schütze ich im Winter meinen Garten»).

DER EXPERTE

Othmar Ziswiler
Leiter Gärtnerischer Detailhandel bei Jardin Suisse

«EINHEIMISCHE PFLANZEN VERTRAGEN WETTERWECHSEL BESSER»

«Die milden Winter begünstigen. das Wachstum mediterraner Pflanzen in unseren Gärten. Es wachsen heute Bananen an Orten, wo man es vor wenigen Jahrzehnten für unmöglich gehalten hätte. Doch muss man aufpassen: Es kommt auch in milden Wintern immer wieder zu Kälteeinbrüchen und anderen plötzlichen Wetterwechseln. Einheimische Pflanzen vertragen dies besser als südländische Pflanzenarten. Wer trotzdem nicht auf einen Oliven-, Mandelbaum oder Kamelien im Freien verzichten möchte, sollte die richtigen Sorten wählen und sich gut auf den Winter vorbereiten. Kündigt der Wetterbericht sehr tiefe Temperaturen an, dann müssen empfindliche Pflanzen mit Vlies oder einem Zelt vor Frost geschützt werden. Topfpflanzen zieht man wenn möglich an die Hauswand, dort sind sie gegen Wind abgeschirmt. Wer also mediterrane Pflanzen hat, sollte sich vor dem Winter ausreichend Winterschutzmaterial bereitlegen und bei Kälte schnell handeln. Dazu lohnt es sich auch, regelmässig den Wetterbericht zu studieren.»


JETSTREAM DESTABILISIERT

Wie erklärt die Forschung solch starke Wetterschwankungen? Der Grund dafür ist laut meteorologischer Forschung am Nordpol zu finden. Dort wirkte jahrtausendelang der Polarwirbel stabilisierend. Dieser bildet sich im Winter aus besonders kalter Luft in der grosser Höhe (in der Stratosphäre). Um ihn herum dreht sich ein Starkwindband, der sogenannte Jetstream.

Der Jetstream bestimmt üblicherweise das Winterwetter Europas: Strömt er stark von West nach Ost, dann hält er die kalte Luft des Polarwirbels fest. Wird er hingegen schwach, dann bricht der Polarwirbel zusammen. Darauf strömt die kalte Luft gegen Süden und sorgt für eisige Temperaturen. Klimaforscherinnen und -forscher gehen davon aus, dass die Klimaerwärmung den Jetstream schwächt bzw. stört, sodass das Wetter im Winter unbeständiger wird.


ZWEI GEGENLÄUFIGE EFFEKTE

Zusammenbrechender Polarwirbel und schwächelnder Jetstream sorgen also dafür, dass kalte Luft aus der Arktis nach Europa strömen. Gleichzeitig drückt heisse Luft aus dem Süden nach Norden. Auch dieser Effekt nimmt stark zu, da sich der Süden aufgrund des Klimawandels stark erwärmt. Welcher der beiden Effekte künftig Überhand gewinnt, lässt sich heute nicht sagen. Aufgrund von Modellrechnungen geht man aber davon aus, dass unsere Winter gesamthaft betrachtet wesentlich milder und schneearmer werden, die warme Luft aus dem Süden also tonangebend sein wird. Gleichzeitig ist mit Kälteeinbrüchen, Stürmen und starken Schneefällen zu rechnen. Unser Winterwetter wird also vermutlich zunehmend milder und gleichzeitig wilder – was uns alle fordern wird.

SO SCHÜTZE ICH IM WINTER MEINEN GARTEN

Den Garten winterfest machen und sich bis zum Frühling zurückzulehnen, funktioniert heute nicht mehr. Die milden Winter machen zusätzliche Gartenund Pflanzenpflege und den regelmässigen Blick in den Wetterbericht erforderlich:


AUSREICHEND WASSER GEBEN
Wird es im Winter längere Zeit warm, dann beginnen immergrüne Pflanzen zu wachsen, bzw. treiben aus. Sie benötigen dann Wasser, sonst vertrocknen sie. Besonders wichtig ist dies für Pflanzen in Töpfen und Trögen, da dort nur wenig Wasser gespeichert ist. Doch auch der Boden trocknet bei den heute üblichen Wintern regelmässig aus. Kündigt der Wetterbericht allerdings eine Frostperiode an, sollte man mit Giessen aufhören.

WINTERSCHUTZ ÖFFNEN
Bei warmen Temperaturen kann es zu einem Hitzestau hinter Kälteschutzfolien und in Pflanzenschutzzelten kommen. Ist es mehrere Tage warm, sollte der Winterschutz daher geöffnet werden. Topfpflanzen gilt es zudem vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Auch in diesem Punkt darf man den Wetterbericht nicht aus den Augen lassen: Vor einer Kältephase muss der Kälteschutz wieder geschlossen werden, sonst kommt es zur Frostschäden.

LAUB ENTFERNEN
Je wärmer es ist, desto schneller fault es unter totem Laub. Bei den heute vorherrschenden Wintertemperaturen kann herumliegendes Laub einen Rasen zerstören. Es gehört daher immer entfernt.

RASEN ÖFTER MÄHEN
Vor dem ersten Schneefall sollte ein Rasen gemäht sein. Ansonsten drückt der Schnee das lange Gras nieder und es beginnt zu faulen. Da heute der warme Herbst oft bis Ende November dauert, hat sich auch der Zeitpunkt für den letzten Rasenschnitt nach hinten verschoben. Und bei langanhaltenden Wärmeperioden im Winter kann es sinnvoll sein, den Rasen nochmals zu mähen – denn es kann trotzdem jederzeit wieder zu Kälte und/oder Schneefall kommen.

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SO SCHÜTZE ICH IM WINTER MEIN HAUS

Orkanartige Winterstürme, starke Schneefälle, viel Regen sowie schnelle Temperaturwechsel: Das sind die winterlichen Wetterereignisse, die ein Haus zunehmend belasten. Dagegen lässt sich bauseitig viel unternehmen:


HAUS STURMSICHER MACHEN
Besonders anfällig auf Sturmschäden sind mit Ziegeln oder Platten bzw. Schindeln bedeckte Schrägdächer. Bei diesen greift der Sturm hauptsächlich an der windabgewandten Seite an, da dort ein Unterdruck entsteht. Durch diesen wird die Dacheindeckung angehoben und weggerissen. Gefährdete Dächer lassen sich mit Sturmklammern sichern. Sie sorgen dafür, dass Ziegel auch bei starken Winterstürmen an Ort und Stelle bleiben. Sturmklammern kann man auch nachträglich anbringen.

SCHUTZ VOR HOHER SCHNEELAST
Strenge Baunormen sei Dank: In der Schweiz kommt es glücklicherweise selten vor, dass Hausdächer unter der Last des Schnees einbrechen. Gefährdeter sind (selbst erstellte) Kleingebäude wie Carports und Gartenhäuser – insbesondere solche mit Flachdach. Oft wurde bei ihrer Konstruktion keine hohe Schneelast einberechnet. Doch: Eine 10 cm dicke Schneeschicht auf einem 10 m2 grossen Dach kann bis zu mehrere hundert Kilogramm wiegen. Je nachdem lohnt es sich daher, ein Carport oder Gartenhaus zusätzlich zu verstärken.

REGELMÄSSIG KONTROLLIEREN
Ob nach starkem Regen, Schnee oder bei plötzlich wechselnden Temperaturen: Extreme Wetteränderungen verursachen Spannungen an der Fassade und am Dach, es können sich Risse bilden. Je früher man diese erkennt, desto einfach ist eine Reparatur und das Risiko für einen grösseren Schaden minimiert sich. Regelmässige Kontrollgänge und eine visuelle Prüfung der Gebäudehülle sind daher empfehlenswert.

ABFLÜSSE UND DACHRINNEN SAUBER HALTEN
Schneeschmelze wie auch Starkregen sorgen regelmässig für überschwemmte Keller und Garagen. Ein Grund dafür sind durch Herbstlaub verstopfte Abflüsse. Daher muss man dieses bei Herbstende – und am besten auch zwischendurch – gründlich reinigen.

DAS PLUS: SOLARER WÄRMEGEWINN
Milde Temperaturen im Winter haben auch Vorteile. Der solare Wärmeeintrag durch die Fenster wird teilweise grösser, was die Heizkosten spürbar senken kann. Es lohnt sich also, an klaren Tagen die Sonne ins Haus scheinen zu lassen. Zudem werden Wintergärten noch attraktiver: Selbst einfache, nicht beheizte Modelle lassen sich in milden Wintern die ganze Zeit über nutzen. Viel Tageslicht beugt Müdigkeit und Winterdepressionen vor.

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