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Nützlinge im Garten

Nützlinge helfen Pflanzen beim Wachsen und halten Schädlinge fern. So fühlen sie sich in einem Garten wohl.

Text — Raphael Hegglin

 

Es sind Tausende von Mini-Helfern, viele von ihnen arbeiten diskret und unerkannt: Nützlinge. Sie umfassen Spinnentiere, Insekten und Würmer, die uns Menschen in irgendeiner Form unterstützen. Im Garten sorgen Nützlinge dafür, dass sich alles in einem biologischen Gleichgewicht befindet. Nur so können Pflanzen optimal wachsen, blühen und Früchte tragen. Doch was krabbelt, kriecht und fleucht, findet man oft eklig. Spinnen, Wespen und andere Nützlinge werden oft vertrieben oder gar getötet, weil man ihren Wert nicht erkennt. Das Resultat davon: Mehr Schädlinge und Pflanzenkrankheiten – die man dann mit Insektiziden und Pflanzenschutzmitteln bekämpft. Und Nützlinge weiter ausrottet. Ein Teufelskreis.

Brennesseln und andere als Unkraut verschriene Pflanzen sind Nahrung für Nützlinge.

WILDE ECKEN SCHAFFEN

In einem gesunden Garten halten sich die einzelnen Tierarten in Schach und sorgen so für ein Gleichgewicht. Wie überall in der Natur gilt das Motto «fressen und gefressen werden». Eine vielfältige Landschaft ist daher stabiler als Monokulturen. Das gilt auch für den Garten: Je naturnaher und artenreicher er ist, desto weniger anfällig sind die darin wachsenden Pflanzen auf Krankheiten und Parasitenbefall.

Exotische Pflanzen sind zwar schön anzusehen. Doch oft bieten sie keine ideale Nahrung für einheimische
Tierarten. Einheimische Pflanzenarten wirken hingegen stabilisierend, auch sind sie Lebensgrundlage für Nützlinge. Und: Unkraut ist oft nur auf den ersten Blick störend. Von ihm ernähren sich zahlreiche – nützliche – Tierarten. So fressen etwa 50 Schmetterlingsarten bevorzugt Brennnesseln. Je nach Platzverhältnissen lohnen sich also eine oder mehrere wilde Ecken im Garten. Sie bieten Nützlingen Unterschlupf und Nahrung.

INFO

NÜTZLINGE: EINE KLEINE ARTENKUNDE

Damit der Garten gedeiht, braucht es zahlreiche Nützlinge. Sie übernehmen unterschiedliche Aufgaben:
 

DIE GEBURTSHELFER

Sie fördern das blühende Leben, indem sie Pflanzen bestäuben. Denn viele Gemüsearten sowie Obst und Früchte wachsen nur, wenn Insekten ihren Blütenstaub von Blüte zu Blüte tragen. Bekannteste Bestäuberin ist die Honigbiene. Als Lohn nimmt sie sich dafür Nektar von den Blüten. Aber auch andere «Geburtshelfer» wie Wildbienen und Hummeln sind im Garten willkommen. Wichtig für sie ist, dass es im Garten von Frühjahr bis Ende Herbst blühende Pflanzen hat: Bienen und Hummeln fliegen ab Temperaturen um die fünf Grad Celsius und benötigen bereits dann Nahrung.

DIE POLIZISTEN

In der Natur geht es hart zu und her. Denn die Polizisten unter den Nützlingen sind eigentlich Jäger: Sie verhaften nie, sondern fressen immer. Dem Gartenbesitzer nützt diese Grausamkeit. Viele Käfer, wie zum Beispiel der Marienkäfer, fressen Blattläuse. Und sie verputzen den Echten Maulpilz, ein weitverbreiteter Pflanzenparasit. Auf dem Speiseplan der grösseren Laufkäfer stehen zudem Schnecken. Raubwanzen wiederum fallen über Thripse, Blattläuse sowie Spinnmilben her und saugen die Eier anderer – teilweise für den Garten schädlicher – Insekten aus. Selbst der eher unbeliebte Ohrwurm ist ein echter Nützling. So frisst er neben Blattläusen auch Mehltaupilze. Und erst die Spinnen: Sie sind die wahren «good Cops» im Garten und vertilgen Mücken, Fliegen, Motten, Springschwänze, Blattläuse sowie Milben. Genauso wie ihre ebenso nützlichen Kolleginnen von der Luftwache – die Wespen und Hornissen – werden sie zu Unrecht vertrieben und bekämpft.

DIE VON DER MÜLLTRUPPE

Überall totes Pflanzenmaterial: Aber im Garten braucht man es – wenn es nicht wie Herbstlaub in Massen anfällt – weder einzusammeln noch zu entsorgen. Denn darum kümmert sich die Mülltruppe: Regenwürmer, Käferlarven und auch Schnecken fressen pflanzliche «Abfälle», dabei scheiden sie erst noch nährstoffreichen Humus aus. Das ist wahres Recycling! Wichtig für die Mitglieder der Mülltruppe ist eine möglichst konstante Bodenfeuchte. Dies ist nur möglich, wenn der Boden immer von Pflanzen bedeckt und damit beschattet ist.


AUF UNTERSCHIEDLICHE BLÜTEZEITEN ACHTEN

Hecken mit unterschiedlichen Blüten- und Fruchtgehölzen bieten auch Lebensraum für Nützlinge – genauso wie für Vögel, die sich dort ganzjährig beobachten lassen. Auch in Hecken sollte es Platz für einheimische Gehölze wie Haselnuss, Holunder oder Schwarzdorn haben. Zusammen mit Ziersträuchern – die durchaus auch nicht einheimischen Ursprungs sein dürfen – ergibt sich ein abwechslungsreicher Lebensraum, der erst noch das Auge erfreut.

Zwischen Sträuchern und Bodenbewuchs lassen sich Zwergsträucher und flächig wachsende Staudenarten anpflanzen. Dabei sollte man auf unterschiedliche Blütezeiten achten. So ist von Frühling bis Herbst für farbliche Akzente gesorgt.

Neben Hecken erhöhen auch Zierpflanzen wie Sonnenblumen, allgemein Korbblütler und essbare Pflanzen und Kräuter die Zahl der Nützlinge. Denn sie bieten nicht nur Nahrung, zahlreiche Kleinstlebewesen legen auch ihre Eier auf ihnen ab.
 

DER EXPERTE

Jochen Elbs-Glatz,
Gartenberater bei Bioterra und Gartenrat

«AUSSCHLIESSLICH BIOLOGISCHE UND SELEKTIV WIRKENDE SPRITZMITTEL VERWENDEN»

«Wenn immer Pflanzen häufig und in grossem Ausmass von Krankheiten befallen werden oder sich Schädlinge in hoher Zahl ausbreiten, stimmt etwas mit den Gleichgewicht im Garten nicht. Dann erscheint der Griff zur chemischen Keule oft als einfach und effizient. Doch der Schein trügt: Synthetische Spritzmittel helfen nur im Augenblick. Sie verschärfen das Problem aber längerfristig, weil sie das natürliche Gleichgewicht in einem Garten zusätzlich stören – denn sie töten nicht nur Schädlinge, sondern gleichermassen auch die Nützlinge. Dabei kann sich schon auf kleinen Raum ein Gleichgewicht einstellen. Dazu müssen Gartenbesitzer anfangen, vernetzt zu denken und die Zusammenhänge zu verstehen. Ziel muss es sein, Lebensraum für Nützlinge zu schaffen, sodass diese die Schädlinge in Zaun halten. Das erfordert auch etwas Experimentierfreude. Man muss individuell herausfinden, was im eigenen Garten funktioniert und was nicht. Eventuell hilft es, Nützlinge im Garten auszusetzen. Doch: Wenn für sie der Lebensraum nicht stimmt, werden sie wieder verschwinden.

Starker Schädlingsbefall kann den Einsatz von Spritzmitteln notwendig machen. Doch sollte man dann ausschliesslich biologische und selektiv wirkende Spritzmittel verwenden. Sie richten am wenigsten Kollateralschaden an, und nur so kann sich ein Garten schnell wieder erholen. Die Wahl solcher Mittel ist also immer individuell. Ich empfehle daher, sich dabei von einer Fachperson beraten zu lassen.»

VORSICHT MIT GIFT

Vielseitiger Lebensraum allein reicht nicht. Ebenso wichtig ist es, diesen nicht zu vergiften. Das klingt banal, die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: Hobbygärtner versprühen in den Schweizer Privatgärten jährlich mehrere hundert Tonnen Pestizide. Oft wirken diese Gifte nur im Augenblick, längerfristig hebeln sie das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Pflanzenschutzmittel sollte man daher nur im äussersten Notfall eingesetzten – und zuerst immer den Einsatz einer biologischen Variante prüfen. Und man sollte unbedingt selektiv vorgehen: Das heisst, Mittel verwenden, die gegen die spezifische Schädlingsart wirksam sind – Breitbandinsektizide hingegen schaden mehr als dass sie nützen.

TIPPS

UNTERSCHLUPF FÜR NÜTZLINGE

Am bekanntesten ist wohl das Insektenhotel. Der künstlich geschaffene Nist- und Überwinterungsplatz für Wildbienen und andere Nützlinge wird in den unterschiedlichsten Formen und aus diversen Materialien gefertigt angeboten. Doch Insektenhotels lassen sich auch leicht selbst bauen – Anleitungen gibt es dazu zahlreiche im Internet. Bei einem Insektenhotel sollte man auf Folgendes achten:

  • Insektenhotels sollten aus natürlichen Materialien sowie aus Ziegelstein gefertigt sein. In Materialien, die nicht dampfdurchlässig sind, werden Insektenlarven von Pilzen befallen.
  • Zum Bau eines Insektenhotels sollte man nur ausreichend gelagertes, trockenes Holz verwenden. In jungem Holz bilden sich nach einer gewissen Zeit Risse. Wildbienen meiden einen solchen Unterschlupf.
  • Es darf nur unbehandeltes Holz ohne Schutzmittel verwendet werden.
  • Je vielfältiger das Insektenhotel ist, desto mehr zieht er an. Unterschlupf kann zum Beispiel aus folgenden Materialien bestehen: Stroh, Schilf, Baumbus-Stäbe, angebohrte Rundhölzer, Tannenzapfen, Pflanzenstengel, Holzwolle.
  • Insekten mögen warme, sonnenbestrahlte Plätze. Am besten richtet man ein Insektenhotel daher gegen Süden aus.

BUCHTIPP

   NÜTZLINGE IM GARTEN: Ursula Kopp, HEEL Verlag GmbH, ISBN 978-3-95843-875-0
   Das Buch informiert umfassend zu den Themen Nützlinge anlocken, ansiedeln
   und einsetzen.