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Das sind die Schwachstellen an Altbauten

Altbauten benötigen deutlich mehr Heizwärme als moderne Häuser. Warum ist das so? Die wichtigsten Unterschiede zwischen früher und heute im Überblick.

Text — Raphael Hegglin

 

Seit die Menschheit sesshaft geworden ist, betreibt sie Architektur. Sie wird geprägt durch die Gesellschaft, das Staatssystem, die wirtschaftliche Situation und die Kultur. So hat jede Zeit ihren Architekturstil, der sich wie ein Geschichtsbuch lesen lässt.

Doch Fassaden, Farben und Formen sind nur die äussere Hülle. Die radikalen Veränderungen in der Bautechnik finden oft hinter den Kulissen statt. Meilensteine waren unter anderem die Erfindung der Fenster-Verglasung, des Kaminofens, der Toilette mit Wasserspülung oder der Zentralheizung. Sie haben die Funktionen der Häuser erweitert und den Wohnkomfort enorm gesteigert.

 

ERSTE ENERGIEGESETZE

In den letzten Jahrzehnten fand ein weiterer, bedeutender Wandel statt: jener zum energieeffizienten Gebäude. Die Ölkrise in den 1970-Jahren führte zum ersten Mal vor Augen, dass Energie nicht selbstverständlich ist – und gleichzeitig überlebenswichtig für unsere Gesellschaft. In der Folge kam es erstmals zu energetischen Anforderungen an Neubauten. Aus heutiger Sicht waren diese marginal.

Anfang der 1990-Jahre führte man schliesslich verbindliche Normen ein, diese forderten für Neubauten eine Wärmedämmung ca. 8 cm bzw. einen U-Wert von 0.3 W/m2K. Zusätzlich wurde die Doppelverglasung bei Fenstern Standard. Der Heizenergiebedarf von Neubauten sank damit auf etwa 10 Liter Heizöläquivalente pro Quadratmeter und Jahr. Gebäude aus den vorherigen Jahrzehnten benötigen etwa doppelt so viel.

INFO

ENTWICKLUNG WÄRMEDÄMMUNG

Baujahr

Typische Aussenwand

Wärmedämmung

Typischer U-Wert Aussenwand
vor 1900 Bruchsteinmauerwerk, 50 bis 100 cm dick

keine

1,8 W/m2·K
1930 Mauerwerk, ca. 40 cm dick keine 1,0 W/m2·K
1960 Backsteinmauerwerk, 30 bis 40 cm dick keine 1,2 W/m2·K
1970 Mehrschichtiges Mauerwerk teilweise, wenige cm 0,6 W/m2·K
1980 Mehrschichtige und einschichtige Mauerwerke teilweise, wenige cm 0,5 W/m2·K
1990 Einschichtiges Mauerwerk 8 bis 14 cm < 0,2 W/m2·K
2020 Einschichtiges Mauerwerk 18 bis 30 cm < 0,1 W/m2·K

 


ENORMES SPARPOTENZIAL

Der grosse Schritt zu mehr Energieeffizienz erfolgte nach der Jahrtausendwende: Allmählich reduzierte sich der Heizwärmebedarf bei Neubauten auf heute etwa 3,5 Liter Heizöläquivalente pro Quadratmeter und Jahr – bei Passivhaus- oder Minergie-Standard sind es sogar deutlich weniger. Ein heute erstelltes Haus benötigt also drei- bis sechsmal weniger Heizenergie als ein Altbau mit Baujahr vor 1980.

Zwei Drittel aller Gebäude in der Schweiz wurden vor 1990 gebaut und mehr als 1,5 Millionen Gebäude sind nach wie vor ungedämmt. Und: Für unsere Häuser wenden wir über 40 Prozent der gesamten Energie auf, die hierzulande verbraucht wird. Das Sparpotenzial im Gebäudebereich ist also enorm.

INFO

TYPISCHE WÄRMEBRÜCKEN AN ALTBAUTEN

  • Erker und andere auskragende Bauteile. Sie müssen mit besonderer Sorgfalt gedämmt werden, denn sie bilden immer eine energetische Schwachstelle.
  • Balkone: In Altbauten baute man sich üblicherweise durch Verlängern der Geschossböden. Dadurch wirken Balkone, die nicht thermisch entkoppelt sind, wie die Kühlrippen eines Motors.
  • Kamine: Ungedämmt und aus dem Dach ragend entziehen auch sie viel Wärme. Zusätzlich problematisch ist, wenn sie sich nicht durch eine Klappe verschliessen lassen.
  • Heizkörpernischen: Hier ist das Mauerwerk weniger dick und die Dämmkraft konstruktionsbedingt vermindert.
  • Storen- und Rollladenkästen: Sie sind in den meisten Altbauten nicht gedämmt. Die Storenkurbel führt zudem durch ein Loch direkt nach draussen, diese ist meist nur durch eine undichte Abdeckung verschlossen.
  • Regenfallrohre: Ein in die Aussenwand verlegtes Regenfallrohr verringert den Querschnitt und damit die Dämmkraft der betroffenen Wand.
  • Brennstoffleitungen: Für Ölheizungen mit aussenliegenden Öltanks und Gasheizungen führt eine Leitung in den Heizungskeller. Die Wanddurchstösse sind oft weder abgedichtet noch gedämmt, teilweise sind sie sogar überdimensioniert.
  • Aussensteckdosen: Auch sie bilden ein Schlupfloch für Wärme, denn durch das Elektrokabelrohr strömt warme Luft vom Gebäudeinnern nach draussen.


NICHT NUR DÄMMSTÄRKE ENTSCHEIDEND

Die heutige Bauweise unterscheidet sich nicht nur punkto Wärmedämmung von früheren. Nachdem die geforderten Dämmstärken stufenweise erhöht wurden, stellte man fest, dass nun der grösste Anteil der Heizwärme an den Bauteilübergängen verloren geht. Sie bildeten sogenannte Wärmebrücken: Stellen in der Aussenhülle eines Gebäudes, die Wärme wesentlich besser leiten als benachbarte Bauteile.

Dass Wissen um Wärmebrücken hat zu einer neuen Bauweise geführt: In modernen Häusern sind sie konstruktionsbedingt gar nicht mehr vorhanden. In Altbauten müssen sie hingegen im Rahmen einer energetischen Sanierung ausgeschaltet werden. Ansonsten entweichen an diesen Stellen weiterhin grosse Mengen Heizwärme und es kann sich raumseitig Kondenswasser bilden, was zu Bauschäden führt. Es kommt also nicht nur auf die Dämmstärke an: Ebenso wichtig ist, wie und wo die Dämmung angebracht wird.